von Brigitte von Savigny
Kunstverein Oberer Neckar - W.W.W.
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Eva Rosenstiel ist eine leidenschaftliche Malerin. In ihren Bildern herrscht nicht die emotionale Kühle oder der sezierende Blick. Sie strahlen, denken wir an die Grasbilder V.I.A.S., vielmehr die Ambivalenz von Sympathie und Distanziertheit gegenüber dem allzu Vertrauten aus. Oft wird sie mit dem Ausruf konfrontiert "Oh, eine Sommerwiese ... ", doch so exemplarisch und archtetypisch die Naturmotive ihrer Bilder auch gewählt sind, sie registrieren aber nicht dokumentarisch unsere Umwelt.
Die neuesten Arbeiten sind auf den ersten Blick dezent farbstrukturierte Bildflächen. Erst wer genauer hinsieht, nimmt die subtile Dialektik von malerischer Einflußnahme, Erfindungsgabe und intensiver Realitätsbeobachtung wahr. Keine Spur verweist auf den topografischen Ort. Nichts erinnert an den usprünglichen Landschaftsausschnitt, dendie Künstlerin direkt vor der Natur mit der Kamera eingefangen hat.
Wie die flüchtig gefertigte Skizze wandern die kleinformatigen Papierabzüge der Fotografie in dasAtelier zur partiellen Übermalung mit Acryl. DasVor- und Dahinter der Pflanzen oder Steine, die die Bildfläche als Ornament überwuchern, ist auf einmal radikal gebrochen. Dieser einschneidende Abstraktionsgrad wird noch weiter verstärkt. indem das bereits übermalte Bild mittels eines SCäl1ners in einen neuen Zustand gesetzt wird, in dem uns die Dinge reduziert vereinfacht präsent werden - farbige, vielfach reflektierende Flächen und diffuser Hintergrund zugleich.
Jedes Bild entsteht in einem langen Prozess des Abtastens formaler und farbllcher Äquivalenzen zwischen den einzelnen Bildschritten. So erlaubt ein aufwändiges Tlntenstrahldruckverfahren, das gescannte Bild auf einen großformatigen Papierabzug zu kopieren, den die Künstlerin einer weiteren Metamorphose unterzieht In einem zweiten Malprozess mit Tusche reagiert der Pinselduktus mal rastlos entschlossen, mal zart zögerlich auf die noch vorhandene naturgegebene Struktur.
In diesen Print-Malereien loten Eva Rosenstiels Bilder gerade die Vielschichtigkeit der Dinge aus. die Unabsehbarkeit ihrer Erscheinung. Auch in anderer Hinsicht ist die Malerei verfeinert, wenn sie ausluziden Tuschfeldern Farbe mit Wasser wegwischt, von Neuem großzügige Pinselschwünge setzt undes unmerklich wie aus tiefstem Inneren scheint. Nicht ein schweifendes Auge berichtet hier von seinen Erfahrungen entlang der lasierenden Farbzüge oder frei gewordenen Fotopartien, sondern der Blick, dem es um Vertiefung und die Konzentration aller Schattierungen geht. Und so werden wir auch unseres eigenen Blicks bewusst.
Es existieren im umfangreichen Werk der Künstlerin einzelne Bilder, aber in der Regel sind es Reihen oder Serien, bei denen es um Korrespondenzen geht. Kein sparsames Konzept. Auf dem Weg zu jener ausdrücklichen Vergegenwärtigung des Sichtbaren befindet sich quasi auf Transit die Gruppierung unterschiedlich kleinformatiger Spiegelbilder. Sie verdeutlicht einmal mehr, dass es in der Bildvorstellung der Malerin Eva Rosenstiel nicht um ein Konzept geht, dem allein formale, ästhetisch selbstbezügliche Fragen zugrunde liegen. Die darin vorgestellten Ebenen sind hervorgegangen aus den von der Künstlerin gesammelten, zufällig gefundenen Naturaspekten, die sie in extremer Nahsicht zeigt. Der synthetische Charakter dieser Vorgehensweise wird dann in den spiegelnden Flächen der Bilder unmittelbar deutlich in der unpräzisen Sichtbarkeit der Fotografie als Realitätsillusion.
"w.w.w.": Der nicht ohne Ironie gewählte Titel ist gleichzeitig die Befindlichkeit einer ruhelosen Nommadin, einer Wanderin durch w.ald, w.asser, w.iese, auf der Suche nach dem Innehalten und Rasten.
Vor allem interessiert es Eva Rosenstiel, wie sich die vermeintliche Identität einzelner künstlerischer Schritte verändert, wenn sie mit anderen in einen Dialog tritt, und was geschieht, wenn sie vor einem neuen Hintergrund platziert wird. Formale Fragen, hinter denen jedoch grundsätzlicher Zweifel aufleuchtet. Die Dinge verschwistern sich miteinander auch in ihren Spiegelungen und sie nehmen als reflektierende Eindrücke aus der Umgebung jene Wirklichkeit draußen mit auf.
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